
Daniel, der mich das SUP lehrte, und ich.
Vor zwei Jahren führte ich ein Gespräch mit einer Surferin über die unterschiedlichen Wassersportarten und wie dreist die Hersteller die Kunden abzocken. Nicht nur im Wassersport, eigentlich in allen Hobbysegmenten. Dann erzählte sie von einer Surfvariante, bei der der Surfer einfach nur auf dem Brett steht und sich mit einem Paddel vorwärts bewegt. Hört sich eigentlich nicht unbedingt verkehrt an, dachte ich mir. Wenn kein Wind und keine Wellen sind, holst du eben das Paddel heraus. Dafür kann ich sogar mein altes Surfbrett nehmen. Dieses Riesenschiff.
„Und nun stell dir vor, die Surfindustrie macht aus der Tradition Profit und produziert spezielle Surfbretter und bezeichnet Stand Up Paddling als Sport. Ein wirklich großartiger Schachzug, um aus einer finanziellen Krise zu kommen.“, erklärte sie mir. Offensichtlich habe ich es hier mit einer Gegnerin des Modesports zu tun. Ich behalte eher eine neutrale Meinung dazu. Eine Frage kann ich mir jedoch nicht ohne anzweifelnden Unterton stellen: Warum ist dieser Sport plötzlich so einen Hype?
Tatsächlich scheiden sich beim Stand Up Paddling, kurz SUP, die Geister. Die einen bezeichnen es als ideale Alternative, um bei ausfallendem Wind oder mäßigen Wellengang nicht auf das Surfbrett verzichten zu müssen; für die Anderen, wie meine Surferfreundin, ist es eine Marketingkampagne der Surfindustrie, die sich damit aus einer Krise half. Mir war die Diskussion damals eigentlich egal, weil ich eh kein Surfer war. Als ich mich dieses Jahr jedoch intensiver mit dem Wasserbrettsport auseinandergesetzt habe, kam ich um dieses SUP nicht herum. Keine bildende Meinung ohne Erfahrung im Rückrat. Daher schnappte ich mir eines dieser ewig langen Paddel, klemmte das riesige Brett unter den Arm und startete den Feldversuch.
„Wenn du halbwegs sportlich bist, lernst du es von ganz allein.“, erklärte mir Daniel, Inhaber der Kiteschule am Achensee in Tirol. Und tatsächlich, es ging ganz von allein. Wir paddelten über das wunderschöne österreichische Binnengewässer und Daniel klärte mich auf.
„Der Ursprung liegt mehrere tausend Jahre zurück. Fischer an den Küsten Afrikas und Asiens standen in ihren kleinen Kanus, um besser zu fischen. Hatten immer nur ein Paddel dabei. In den 50er Jahren nutzten die Surflehrer aus Hawaii diese Technik, um einen besseren Überblick über ihre Surfschüler auf dem Wasser zu haben. Als Profisportler damit begannen, hin und wieder ein Paddel als Antriebstechnik zu verwenden, wurde daraus eine neue Sportart entwickelt.“, sprach der blonde Surferboy vom Achensee.

Weise Worte des wohl bekanntesten Meeresforscher Jaque Yves Cousteau
Wo liegt der Reiz beim SUP? Als wir 20 Minuten auf dem Wasser paddelten, langweilte ich mich. Kein Geschwindigkeitsrausch, nichts lebensbedrohliches, keine Action. Als ich Daniel sagte, dass ich nicht verstehen kann, was das Besondere daran ist, schaute er mit zusammengekniffenden Augen über den See wie ein Jäger über das weite Feld hinein in den Wald. „Ok, dann lass ich dich jetzt allein. Paddel ruhig mal eine Weile über den See.“ Ich paddelte zur Mitte des riesigen Sees und setzte mich auf das Brett, um mich etwas treiben zu lassen. Meine linke Hand ließ ich im Wasser eintauchen. Über mir zogen Paraglider kunstvolle Linien in der Luft und wirbelten sich um alle Achsen. Auf den Bergen des Rofangebirges entdeckten die Naturliebhaber neue Wanderwege. Kletterer hingen an den Wänden. Ein Segelboot schlich an mir vorbei. Die alte Dampfbahn vom Achensee, eine der ältesten der Welt, zischte fauchend am See entlang. Eine Stand Up Paddlerin paddelte an mir vorbei. Wir grüßten uns wie die Wanderer in einem Wald. Plötzlich verstand ich es. Es geht nicht um den Adrenalinkick oder die Herausforderung des Sports. Vielmehr soll die Entschleunigung ein Ausgleich zum Sturm des Alltags sein. Was Langlauf für Skifahrer ist. Ich verstand, genoss die Auszeit und habe Gefallen an diesen Sport. Ich paddelte zurück zum Ufer. Daniel grinste mich an. Ich nickte.
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