
Unser Flug- und Roadtrip durch Norwegen
Wir lernten uns kennen, als wir den norwegischen Regen auf uns herabfallen ließen. Ich nahm Abschied von deinem Bruder und begrüßte dich mit hohen Erwartungen. Vielversprechend solltest du sein und bitte, bitte keine Probleme machen. Jetzt, nach 12 Monaten des Zusammenseins, kann ich sagen, dass du deine Launen hattest. Viele Höhen und Tiefen hast du abverlangt und mich immer wieder auf die Probe gestellt. Trotzdem danke ich dir für das, was ich von dir lernen konnte.
Dein Name, vier Ziffern, die die Quersumme sechs bilden: Au revoir 2013!
In den ersten Wintermonaten hast du eine Ansage gemacht. Nachdem ich meine Liebe zu Südtirol geteilt habe, wolltest du es nicht wahrhaben. Als ich in den Sextener Dolomiten mit meinem hart ersparten niegelnagelneuen Snowboard den Park unsicher machte, stürzte ich unglücklich und kugelte mir die Schulter aus. Das neue Snowboard, ein kurzes Vergnügen.
Fast zur gleichen Zeit krabbelte Oli unter Tage in Tirol durch die Spannagelhöhle, erhielt in Geologie etwas Nachhilfe und nahm sich vor, für den Sommer noch etwas abzuspecken. Oli gegenüber warst du ohnehin wohlgesonnen. Hin und wieder hatte ich den Eindruck, dass du und er wie füreinander geschaffen seid. Immerhin hast du ihm eine winterliche Schneeschuhwanderung mit anschließender Tiefschneeabfahrt beschert. Wie kann man so etwas toppen? Vermutlich nur mit Oreos.

Oli auf Schneeschuhwanderung
Große Reisen wurden bei mir vorerst gestrichen. So eine ausgekugelte Schulter kann viel mit sich ziehen. Daher entschloss ich mich, auf Roadtrips umzusteigen. Da Freunde und Bekannte ebenfalls eine Schwäche für diese Reisen haben, ordnete ich meine Gedanken und kritzelte eine Ode an die Autobahn nieder. Kurz nachdem endlich diese nervende Schulterschiene abgenommen wurde, folgten wir unserer neuen Tradition: Jährlich für ein paar Tage nach Schweden reisen, für weniger als 100 Euro (!!!). Auch dieses Jahr hat es wieder funktioniert, obwohl wir noch mehr Teilnehmer und ein weiteres Auto hatten.

Roadtrip nach Schweden für unter 100 Euro
Die folgenden Monate mussten Oli und ich uns dem Lernen widmen, da unsere IHK‐ Abschlussprüfungen anstanden. Mit Eifer, Schweiß und der Erkenntnis, dass ich seit dem Abitur keine Vorstellung habe, wie man eigentlich richtig lernt, absolvierten wir die schriftlichen und mündlichen Prüfungen. Mit Erfolg. Zugegeben, bei der mündlichen Prüfung stand ich etwas verkatert vor dem Prüfungsausschuss, da es eine Nacht zuvor feucht fröhlich abging. ABER: Bestanden mit eins. Wir waren stolz wie Bolle. Nun waren wir wer. Endlich können wir bei diesen zahlreichen Formularen im Netz das Feld „Beruf“ ausfüllen: Kaufmann für Marketingkommunikation (Eine viel zu lange Berufsbezeichnung).
Kurz vor der Prüfung zog es mich jedoch nach Graz. Eine Stadt, die durchaus das Potential hat, Europas Designerstadt zu werden. So viele kreative Menschen auf einem Fleck. Wie zum Beispiel das Kollektiv Les Avignons, das auch an der Surfdoku „The Old, The Young & The Sea“ oder dem unglaublich schönen Cornwall Reiseführer „Eat, Surf, Live“ arbeitete.
Nach unserer Ausbildung musstest du uns trennen. Drei spannende Jahre arbeiteten Oli und ich zusammen in einem Unternehmen. Er blieb, ich ging. Es folgte eine reine Freundschaft ohne beruflichen Hintergrund. Gleichzeitig musste ich schon wieder eine neue Wohnung beziehen. Damit blieb ich meinem Rhythmus, jedes Jahr eine neue Wohnung in Berlin zu suchen, treu. Du hast mich nach Moabit geschickt. Jenem Bezirk, der Neukölln vor fünf Jahren gleicht. Auf der einen Seite junge Familien, Kindergärten und Parkanlagen, auf der anderen Seite werden Menschen auf offener Straße erschossen, Erotikkinos reihen sich neben Spielkasinos und in den Eckkneipen treffen sich die verlorenen Seelen. Ich wohne auf der anderen Seite. Direkt neben dem Erotikkino. Trotzdem habe ich mich nie so wohl in einem Bezirk gefühlt. Hier bewegt sich etwas und das ist nicht der Zwergpinscher, der jeden Morgen einen fußballgroßen Haufen direkt vor meiner Haustür setzt.

Irland ‐ Die letzte Klippe vor dem Atlantik
Diesen Sommer entschied ich mich zu reisen. Sehen, erleben, lieben, nachdenken und schreiben. Das wollte ich machen. Und das habe ich auch gemacht. Die erste Station war Irland. Ein wunderschöner Roadtrip auf der linken Seite der Straße. Mein erstes Mal Linksverkehr. Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen. Mehrere Tage verbrachte ich in Connemara und Galway. Ich entdeckte das Haus in dem der Schriftsteller Oscar Wilde aufwuchs, sprang von einer Klippe während einer Kanutour und stellte fest, dass des Iren Beredsamkeit das schönste ist, was Irland zu bieten hat.

Oli rasant durch Österreich
Es folgten einige Wochen Österreich. Oli leckte Blut beim Downhill Mountainbiking in Saalbach Hinterglemm und bezwang todesmutig die Seven Summits of Saalbach Hinterglemm. Was für ein Adrenalinjunkie dieser Kerl!
Ähnlich verlief es bei mir. Zwei Wochen fuhr ich mit meinem alten Volvo, treue Seele, und einer perfekten Playliste für einen Roadtrip durch Tirol und Kärnten. Anfang des Jahres hörte ich von einem Tal, das auf dem 47. Breitengrad liegt, und ein Outdoor‐Mekka für Naturliebhaber und Sportenthusiasten sein soll ‐ die Area 47. Eine wirklich coole Anlage mit einer der schnellsten Rutschen der Welt. Und einem Blob.
Am Achensee hatte ich (im wahrsten Sinne des Wortes) eine atemberaubende Klettertour im Rofangebirge. Eine großartige Tour, die jedoch Kondition voraussetzt. Außerdem habe ich das erste Mal wildes Edelweiß entdeckt. Ein Blümchen mit Fell.
Im Anschluss erforschte ich einige Touren des noch jungen Fernwanderweges „Alpe Adria Trail“. Definitiv eine Empfehlung für Wanderfreunde, da der Trail noch nicht überlaufen ist.

Die erste Etappe des Alpe Adria Trails
Dann kam endlich eine Reise, die ich mit Oli gemeinsam durchziehen konnte. Vor lauter Reisen ist das ja eine Seltenheit. Die Reise nach Norwegen. Über eine Woche zog sich unser Flighttrip. Jeden Tag saßen wir in einem anderen Wideroe‐Flieger, der uns durch das Land flog. Von einer Mountainbike‐Tour durch schneidende Regentropfen in Loen über eine Gletschertour in der Nähe von Sogndal und dem kleinsten fettesten Wal der Welt bis hin zu der Hafenstadt Bergen. Was für ein Trip. Als wir wieder in Berlin ankamen, setzte uns die Actiongrippe zu. Wir brauchten erstmal Geborgenheit und Zeit, um diesen Testosteronüberschuss verarbeiten zu können. Dann hieß es für mich: Jobsuche.

Mit dem Boot unterwegs zum Nigardsbreen Gletscher
Immerhin konnten mich diese Reisen nicht ewig ernähren. Bevor ich mich jedoch endgültig in den Käfig eines Angestellten einsperre, musste ich noch einen Trip angehen. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass ich dieses Land bereisen werde, aber du, liebes 2013, wolltest es so.
Mexiko! Dieses großartige Land nutzte ich weder für actiongeladene Touren, noch für Touristensensationen. Nein, ich tat etwas, dass ich viel zu selten mache: Zeit nehmen, bremsen und nachdenken. Ich hatte dort ein interessantes Gespräch mit Conni über eine junge Frau, die sich genau über ihre Ziele im Leben den Kopf zerbrochen hat. Mir wurde bewusst, dass ich eigentlich keine Ahnung hatte, wohin mich diese ganzen Reisen führen. Also musste ich mir mal einen Kopf machen wie es weitergehen soll. Aber vorher, und jetzt kommt’s, habe ich mir Gedanken über Mexiko gemacht und 24 Dinge gesucht, die mir im Land der leckeren Biere und dicken Menschen so aufgefallen sind.

Mexikanisches Inselbild: Isla Holbox
Danach kam der Job in der Werbeagentur, der nicht lange anhielt. Vielleicht hattest du Spaß daran, diese ganze Szenerie zu beobachten oder du wolltest, dass ich auch diese Erfahrung durchleben sollte. Wiedemauchsei. Deine heiße Schwester, 2014, sieht zu wie ich den neuen Job in der neuen Werbeagentur antrete. Darauf freue ich mich schon wie meine kleine Nichte auf gebrannte Mandeln.
Und nun? Ich muss zugeben, dass ich etwas ausgelaugt bin. So erlebnisreich wie es mit dir war, so belastend war es gleichzeitig. Würde ich die Stunden zählen, die ich schlafend verbracht habe, wie kann ich überhaupt noch am Leben sein. Als ich vor kurzem mit einer Mitfahrgelegenheit in einem alten Bulli von Dresden nach Berlin gefahren bin, blieb ein Satz in meinem Kopf hängen. Die Fahrerin war eine Erbin der 68er Hippie‐Bewegung. Ich liebe diese Menschen, aber sie fasste ihren Lebensstil treffend zusammen: „Anders zu sein, ist anstrengend.“ Was ist anders, was normal?
Ich danke dir! Au revior 2013!
Mein besonderer Dank geht an Oli, der mich (mit Fäusten) immer wieder an diesen Blog erinnert, trotz den ganzen organisatorischen Meisterleistungen, die dieses Jahr anstanden. Darüber hinaus freut es mich immer wieder, dass er seinen viel zu guten Schreibstil hier teilt.
Vielen Dank an alle Kooperationspartner, die uns viele Reisen dieses Jahr ermöglicht haben und mit denen wir Gedanken, Strategien und den einen oder anderen Drink teilen konnten: Tirol Werbung und Österreich Werbung, Condor, Visit Norway und Northern Lights, Hotel Wiesler und Les Avignon, Tourism Ireland, Rügen Piraten, Hohe Tauern ‐ und entschuldigt bitte unsere Anspruchslosigkeit auf Reisen.